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Wirtschaftsminister Olaf Lies zu Gast beim Frühschoppen der Bremervörder Wirtschaftsgilde
Von Corvin Borgardt
Bremervörde. Dass Bremervörde dringend eine Verkehrsentlastung braucht, weiß auch Olaf Lies. In welcher Form und wann es soweit sein wird, konnte aber auch der neue niedersächsische Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr seinen Zuhörern im Hotel Daub nicht sagen.
Der Sozialdemokrat war am Sonntagvormittag Gastredner beim Frühschoppen der Bremervörder Wirtschaftsgilde. In seinem Vortrag vor rund 100 Gästen ging Lies auf die Herausforderungen ein, die Politik und Gesellschaft in Zukunft meistern müssen. Stichwort: demografischer Wandel. Dieser sei nicht neu. „Wir wissen seit 20 Jahren, was auf uns zukommt. Wir wissen aber immer noch nicht, wie wir darauf reagieren müssen“, sagte Lies. Den demografischen Wandel könne man nicht aufhalten, sehr wohl aber gestalten. Bildung, Infrastruktur und auch die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum und der absehbare Fachkräftemangel seien die Kernprobleme, die gelöst werden müssten.
Ein Kernproblem Bremervördes, die Verkehrssituation, sei in seinem Ministerium durchaus bekannt, versicherte der Minister. Auch dass die Ostestadt dringend eine Entlastung benötige, stehe außer Frage. Ob diese Verkehrsentlastung allerdings in Form der Küstenautobahn oder als Umgehungsstraße komme, könne er nicht sagen. Daher sei es wichtig, sowohl die A 20 als auch parallel zu diesen Planungen eine Ortsumfahrung für den Bundesverkehrswegeplan anzumelden, sagte der Minister. „Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir das Projekt A 20 realisieren können.“
Um die Stadt vom Verkehr zu entlasten, sei der Bau der A 20 nur in ganzer Länge sinnvoll. Die Küstenautobahn sei aber vor allem unter volkswirtschaftlicher Betrachtung wichtig. Die Küstenautobahn sei „reine Wirtschaftspolitik“, betonte der Minister. „Der Güterverkehr wird bis zum Jahr 2025 um 80 Prozent zunehmen. Dafür brauchen wir die nötige Infrastruktur“, erläuterte Lies. Investitionen in alle drei Verkehrsträger – neben der Straße auch Wasser und Schiene – seien deshalb erforderlich.
Ein Problem, das demnächst auch auf Bremervörde zukommen wird, ist der Brückeninfrastruktur, die laut Lies in der Vergangenheit bundesweit vernachlässigt worden sei. Bekanntlich muss die marode Ostebrücke saniert werden. „Da müssen wir zügig eine vernünftige Lösung finden. Vor allem müssen die Behinderungen während der Bauzeit so gering wie möglich sein“, kündigte der 46-Jährige an und sicherte Bremervördes Bürgermeister Eduard Gummich zu: „Wir bleiben in dieser Sache im engen Dialog“.
Einen engen Dialog beziehungsweise anregende Gespräche wünschte auch Boris Thomas, der Vorsitzende der Bremervörder Wirtschaftsgilde, den Gästen des Frühschoppens. In seiner Begrüßung hatte er dafür die Grundlage geschaffen, indem er süffisant auf Entscheidungen beziehungsweise nicht getroffene Entscheidungen der Bremervörder Lokalpolitik einging. „Wo wollen wir hin? Mit was für brennenden Themen beschäftigen wir uns eigentlich?“, fragte Thomas unter anderem im Hinblick auf „einen Baum in der Brunnenstraße“. „Haben wir nicht andere, wichtigere Probleme?“, fragte der Unternehmer. „Dieser Baum macht viel Arbeit und Ärger. Statt Probleme zu lösen und zu handeln, gibt es Gutachten und Ausschusssitzungen“, kritisierte Thomas.
Kein gutes Haar ließ der Vorsitzende der Wirtschaftsgilde auch an dem Plan der Ratsmehrheit, einen Klimaschutzmanager für Bremervörde einzustellen. „Das Klima wird sich kaum an dem Klimaschutzmanager stören.“ Hinsichtlich der Kosten warnte Boris Thomas. Eine einmal geschaffene Stelle, das wisse jeder, schaffe niemand wieder ab.
Die Kernfrage des politischen Handelns müsse stets lauten „Ist es nett oder ist es nützlich?“. „Wenn die Kassen voll sind, kann man sich erlauben auch nette Dinge zu machen“, sagte Thomas. Doch davon sei Bremervörde weit entfernt. Die Stadt stehe im Wettbewerb mit anderen Standorten und müsse dieser Herausforderung begegnen.
Monatelang werde über einen Zuschuss für den City- und Stadtmarketingverein diskutiert, aber eine Broschüre für 15 000 Euro werde „mal eben in den Etat aufgenommen“, ärgerte sich der Vorsitzende der Wirtschaftsgilde und lobte die bisherige Arbeit des Vereins. Über 200 000 Besucher, die die Veranstaltungen der vergangenen Monate in die Stadt gelockt haben, sei eine beeindruckende Bilanz. „Das hat das Klima in der Stadt mehr verbessert als es jeder Klimaschutzmanager vermag“, sagte Thomas.
Als Dank für dessen Rede überreicht der Vorsitzende der Bremervörder Wirtschaftsgilde, Boris Thomas (rechts), Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies eine Flasche „Bremervörder Seefee“, den offiziellen Likör der Ostestadt. Foto: C. Borgardt